Mit ‘Nordafrika-News’ getaggte Beiträge

Von Birgit Manzke

Seit der brutalen Verhaftung des Menschenrechtlers Yacine Zaid am 1.10., kommt das größte Land Afrikas nicht zur Ruhe und auch das Ausland blickt nach Algerien. Bereits am 2.10. berichtete Al Jazeera über die Umstände seiner Verhaftung und über den Tag verteilt hagelte es Pressemeldungen aus aller Welt, die sich im rasenden Tempo über Facebook verbreiteten. Die Washington Post berichtete,  sowie Zeitungen aus Angola, Mexiko, Spanien und Frankreich – die deutschen Medien jedoch schwiegen, obwohl sie einen algerischen ZDF-Reporter vor Ort haben. Am 4.10. wurde sowohl vor dem algerischen Justizministerium demonstriert, als auch vor der UNO-Vertretung und selbst in Paris vor der algerischen Botschaft zeigte man Flagge für Yacine Zaid. Yacine Zaid hat die Herzen der Menschen rund um den Globus erreicht, er ist ein wahrer Friedensengel. Niemals stellte er sich mit seinen Aktivitäten auf die Seite irgendeiner Partei, sondern hatte stets ein Ohr für wichtigeres – für leidende Menschen! In vielen seiner Youtube-Videos kann man ihn sehen, wie er Menschen hilft, wie er Hungernden Essen reicht, wie er Wohnungslosen Wohnraum besorgt. 23 Familienväter demonstrierten am 3.10. für ihn in Bejaia, Väter, die durch Yacines Hilfe ein Dach über dem Kopf haben. Das Internet ist seit Herrn Zaids Verhaftung für viele Algerier eingeschränkt und nach den Demonstrationen am 4.10. ist kaum noch ein Aktivist via Internet erreichbar. Der ZDF-Korrespondent  Zouheir Ait Mouhoub rief in seiner heutigen Statusmeldung seine Kollegen auf, ihren Schreibtisch zu verlassen und vom Geschehen auf der Straße zu berichten. Gestern hatte er den Heimatort von Yacine Zaid Laghouat verlassen, weil die Situation zu bedrohlich wurde. Auch in Hassi Messaoud und Ouargla wird demonstriert… eigentlich sind Demonstrationen in ganz Algerien zu verzeichnen. Wie brutal die Polizei wieder einmal gegen Demonstranten vorgeht, belegt dieses Foto vom 4.10. aus Algier. Vieles erinnert an die Situation in der Nacht vom 4 auf den 5.10.1988 in Algier, als es spontan zu großen Ausschreitungen kam, die sich anschließend über das ganze Land erstreckten. Die Regierung war überfordert, denn niemand hatte damals mit so was gerechnet. Heute beugt man vor und kappt vorsorglich das Internet, damit keine Informationen herausdringen. Als Rückblick ist anzumerken, warum Yacine Zaid verhaftet wurde und die Umstände seiner Verhaftung. Herr Zaid hatte am 1.10. einen Termin bei seinem Rechtsanwalt in Hassi Messaoud. Kurz vor der Stadtgrenze wurde er von Polizisten aus einem Bus gezerrt, geschlagen, getreten und gedemütigt – berichten Augenzeugen. Herr Zaid darf die Stadt Hassi Messaoud auf Grund seiner Aktivitäten nicht betreten. Derzeit läuft eine Eingabe an den UN-Sonderbeauftragten und auch die Grünen in Frankreich haben eine Klage beim Europa-Parlament in Brüssel eingereicht. Eine Online-Petition die am 2.10. erstellt wurde, beläuft sich momentan auf fast 1000 Unterschriften. Yacine Zaid, der Held der niemals einer sein wollte……

Gerichtstermin für Yacine Zaid: Ouargla Montag den 8.10.2012

Von Birgit Manzke

Algerien: Seit den frühen Morgenstunden sind nun nähere Angaben über das Verschwinden von Yacine Zaid bekannt. Er wurde am 1.Oktober kurz vor der Stadtgrenze von Hassi Messaoud (800 km südlich von Algier), von drei Polizisten aus einem Bus gezerrt, geschlagen, getreten und gedemütigt – berichten Augenzeugen. Anschließend wurde Herr Zaid von Geheimdienstleuten in einen weißen Nissan 4×4 gezerrt und auf unbekannt verschleppt. Herr Zaid hatte einen Termin bei seinem Rechtsanwalt in Hassi Messaoud, wo er wegen einer missbräuchlichen Kündigung seines Arbeitsplatzes, gegen ein ausländisches Unternehmen geklagt hatte. Herr Zaid hat auf Grund seiner Aktivitäten Einreiseverbot in der Stadt Hassi Messaoud. Was macht diesen Mann so gefährlich, dass er ständig verhaftet oder vor Gericht steht? Diese Frage ist leicht zu beantworten. Herr Zaid ist ein wahrer Kämpfer, sein Willen ist ungebrochen. Er koppelt Intelligenz mit Stärke und diese Mischung ist explosiv, für eine Regierung die es verhindern will, dass schmutziges Treiben an die Öffentlichkeit gelingt. Genau dazu ist Herr Zaid jedoch fähig. Seine Aufgabe liegt nicht allein darin Leute zu mobilisieren gegen Ungerechtigkeit vorzugehen, sondern er trägt Skandale auch nach außen und informiert Europa über die schrecklichen Dinge, die in Algerien passieren. Er hat sich ein Netzwerk von Hilfsmöglichkeiten aufgebaut: Eigener Youtube-Kanal, Webseiten und er verfügt über ein breites Spektrum von Kontakten nach Europa wie z.B. Front Line Defenders. In diesem Monat wollte er wieder nach Europa reisen, um über Menschenrechtsverletzungen in Algerien zu sprechen. Auch im vergangenen Herbst, hatte man ihn kurz vor seiner Abreise in die Schweiz festgenommen. Im Mai hielt er Reden über Menschenrechtsfragen in der Schweiz und in Frankreich (Siehe Foto). Unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Algerien erhielt er eine gerichtliche Vorladung und wieder stand er wegen Nichtigkeiten am Pranger. Es bleibt zu hoffen, dass die Welt die Problematik in Algerien endlich wahrnimmt und Druck ausübt, damit nicht weiterhin Menschenrechtsaktivisten zu Schaden kommen.

Nachtrag: Yacine Zaid wurde heute , um 13.15 Uhr, dem Gericht von Ouargla vorgeführt: Vorwurf „Missachtung der Polizei“! Seine Verhandlung wird am Montag dem 8.10. sein, bis dahin bleibt er in Polizeigewahrsam. 40 Verhaftungen alleine in Laghouat bei Demonstrationen für die Freiheit von Yacine Zaid., weitere Demonstartionen sind geplant u.a. heute um 17.30Uhr in Algier, organisiert von der Menschenrechtsbewegung MJIC!

von Birgit Manzke

Am heutigen Vormittag wurde Yacine Zaid, Präsident der Menschenrechtsorganisation LADDH (Kommune Laghouat) und Mitglied der Gewerkschaft SNAPAP, verhaftet. Er war auf dem Weg zum Department of Hassi Messaoud. Nach Angaben des Sohnes von Herrn Zaids Begleiter, wurde Yacine Zaid bei seiner Verhaftung gedemütigt, geschlagen und getreten. Herr Zaid und drei weitere Menschenrechtler wurden erst am vergangenen Dienstag dem Gericht von Bab El Oued/Algier vorgeführt und das Gericht erklärte sich selbst für inkompetent, den Fall zu verhandeln. Die Welt atmete auf. Der französische Fernsehsender France 24 berichtete von einem – nie dagewesenen Erfolg – für die algerische Menschenrechtsbewegung. Noch vor vier Tagen konnte ich mit Herrn Zaid sprechen und er war zufrieden über den Ausgang der Verhandlung. Das von mir verwendete Foto zeigt Herrn Zaid, bei einer Verhaftung im Februar 2011. Dieses Foto spricht Bände. Die Polizei präsentierte stolz, das gefangene Tier Yacine Zaid, vor der Kamera. Dramen spielten sich in Algerien ab und dies nicht nur für Yacine Zaid. Abdelkader Kherba, ein junger Mann der 22 Tage im Hungerstreik im Gefängnis war, wurde zwar erst kürzlich freigesprochen, jedoch traut er sich – aus Angst vor dem algerischen Geheimdienst DRS, seit seiner Freilassung nicht mehr nach Hause. Er schläft immer wieder bei Freunden, außerhalb seines Wohnortes. Das Geld wird knapp und Herr Kherba ist physisch derzeit schlimmer gestellt, als direkt nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis, nach 22 Tagen Hungerstreik. Es ist nicht nachzuvollziehen, was ein gerichtlicher Freispruch bedeutet, wenn Menschenrechtler anschließend von der Polizei und dem Geheimdienst gejagt werden. Der algerische Geheimdienst schaltet sich seit Wochen in die Kommunikation zwischen mir und den Menschenrechtlern. Internetverbindungen werden massiv gestört und Nachrichten kommen nicht an. Rückblickend ist anzumerken, dass der Fall Yacine Zaid und Abdelkader Kherba in engem Zusammenhang stehen. Die am 25.09. erfolgte 15-minütige Gerichtsverhandlung, um Yacine Zaïd (LADDH, SNAPAP), Lakhdar Bouzini (SNAPAP), Abdou Bendjoudi (MJIC) und Othmane Aouameur (RDLD), bezog sich auf eine Demonstration für die Freilassung des im April erstmals verhafteten Abdelkader Kherba.

Von Birgit Manzke

Noch vor 5 Tagen erweckte es den Eindruck, dass sich nach der Wahl eines neuen Regierungsapparates, in Algerien Dinge zum Guten wenden könnten – heute ist der Traum schon wieder vorbei. War es tatsächlich Hilflosigkeit und der Druck von außen, der das Gericht von Bab El Oued am Dienstag seine Inkompetenz deklarieren lies und kein Urteil gegen die Menschenrechtler Abdou Bendjoudi (MJIC), Othmane Aouameur (RDLD), Yacine Zaïd (LADDH, SNAPAP) und Lakhdar Bouzini (SNAPAP) gesprochen wurde? Seit den frühen Morgenstunden wird in Algier friedlich demonstriert. Mütter fordern immer noch die Aufklärung, um ihre verschollenen Söhne und Ehemänner, die während der Revolution Anfang der 90iger verschleppt wurden und nie wieder auftauchten. Es fanden heute Morgen bereits zahlreiche Verhaftungen statt. Aus ganz Algerien sammeln sich derzeit über 100 Menschen und forderten vom Staat Aufklärung – ein massives Polizeiaufgebot wurde dem entgegengesetzt. Einige der Verhafteten sind bereits namentlich bekannt, unter ihnen Tarek Mameri und Ali Benhadj. Rechtsanwalt Noureddine Belmouhoub entkam einer Festnahme. Herr Belmouhoub ist der Sprecher des Verbandes für die Verteidigung der ehemalig Internierten (porte-parole du Comité de défense des ex-internés des camps de sûreté). Bedeutet dies wieder mal: Aus der Traum?

Von Birgit Manzke

Was ist los in Algerien?

Am gestrigen Tag sollte eigentlich ein Prozess, gegen vier Menschenrechtler, in Bab El Oued/Algier stattfinden. Die wegen Aufruf – zu einer unbewaffneten Versammlung – angeklagten Menschenrechtsaktivisten Abdou Bendjoudi (MJIC), Othmane Aouameur (RDLD), Yacine Zaïd (LADDH, SNAPAP) und Lakhdar Bouzini (SNAPAP) – alle vier Männer sind Führungskräfte ihrer Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften, wurden gestern von 12 Anwälten verteidigt. Bereits die erste Verhandlung wurde am 19.06.2012, ohne Angabe von Gründen, um fast 3 Monate verschoben – Gelächter und Unverständnis – in den Reihen von Menschenrechtsverbänden und Bürgern. Für den gestrigen Entscheid gibt es kaum noch Worte. Die Verteidigung forderte die Abgabe dieses Falls an eine andere Gerichtsbarkeit und der Richter stimmte zu. Ist man sich vielleicht dessen bewusst, dass hier Unrecht gesprochen werden soll und schiebt den Fall gerne von sich? Großes Wirrwarr für alle Betroffenen. Vor dem Gerichtsgebäude in Bab El Oued, versammelten sich gestern zahlreiche Bürgerinnen und Bürger, zur Unterstützung ihrer Landsleute. Eigentlich hätten diese ebenfalls verhaftet werden müssen, denn nichts anderes war geschehen am 26.04., als Abdou Bendjoudi, Othmane Aouameur, Yacine Zaïd und Lakhdar Bouzini, gemeinsam mit anderen Demonstranten, für die Freilassung ihres inhaftierten Kollegen Abdelkader Kherba demonstrierten. Im Fall von Abdou Bendjoudi, Othmane Aouameur, Yacine Zaïd und Lakhdar Bouzini, kann man von reiner Willkür ausgehen, denn es widerspricht dem logischen Menschenverstand, dass mit zweierlei Maß gemessen wird. Ähnliche Demonstrationen, wie gestern in Bab El Oued, fanden bereits in den vergangenen Wochen in Ksar El Boukhari statt, als der Gerichtsfall Abdelkader Kherba verhandelt wurde – es gab keine Verhaftungen! Warum also, wird dieser Fall jetzt so hochgespielt? Es sollte scheinbar ein Exempel statuiert werden, was sich jetzt keiner traut zu vollziehen, denn die Welt schaut gespannt nach Algerien. Kündigt die algerische Regierung doch immer wieder Reformen an und will beweisen, dass sie ernsthaft eine Demokratie anstrebt, so stellt man sich mit solchen Fällen, in seiner Glaubwürdigkeit,  immer wieder selbst ein Bein. Es bleibt zu hoffen, dass sich mit der derzeitigen Umstellung des Regierungskabinetts, zukünftig auch die Lage von Menschenrechtlern und Gewerkschaftern in Algerien verbessern wird und dass die Abgabe des Falles bedeutet, dass man Zeit benötigt, um eventuell doch noch Recht zu sprechen!

Von Birgit Manzke

Die Welt blickt gespannt nach Algerien, wo am morgigen Tag 12.00 Uhr mittags in Bab El Oued/Algier, die vier führenden Mitglieder von Menschenrechtsorganisationen Abdou Bendjoudi (MJIC), Othmane Aouameur (RDLD), Yacine Zaïd (LADDH, SNAPAP) und Lakhdar Bouzini (SNAPAP) auf ihr Urteil warten, mögliches Urteil:  1 Jahr Haft und 20.000 DA Geldstrafe. Ein erster Gerichtstermin wurde ohne Angabe von Gründen vom 19. Juni auf den 25. September verschoben. Rückblickend ist zu sagen, dass die vier Männer kurzzeitig verhaftet wurden, weil sie am 26. April zu einer Demonstration aufgerufen und teilgenommen hatten und der morgige Prozess gegen sie,  wegen dieser Demonstration sein wird. Es war eine Demonstration für den damals inhaftierten Menschenrechtler Abdelkader Kherba, dessen Widerspruchsverfahren noch läuft und ebenfalls vertragt wurde (4.10.)           Herr Kherba ist bereits verurteilt: 1 Jahr Bewährung und 20.000 DA Geldstrafe. Zwischenzeitlich haben mehrere Menschenrechtsorganisationen zur Unterstützung von Abdou Bendjoudi, Othmane Aouameur, Yacine Zaïd  und Lakhdar Bouzini aufgerufen und starteten breit angelegte Aktionen durch Petitionen, Video-Botschaften und friedliche Kundgebungen – beispielsweise in Tunesien und Paris. Es wäre ein großartiges Zeichen seitens der algerischen Regierung, wenn es morgen zu keiner Verurteilung kommen würde und man der Welt beweist, dass man ernsthaft eine Demokratie anstrebt, denn es kann nicht der Weg sein, wahllos Menschenrechtler zu verurteilen, die dem Streben nach Demokratie nachkommen.

von Birgit Manzke

Nach 22 Tagen Hungerstreik, in seiner kleinen Zelle im Gefängnis von Ksar El Boukhari, wurde Menschenrechtler Abdelkader Kherba nach langem Tauziehen, um Recht und Unrecht, endlich freigelassen! Noch vor einer Woche forderte die Staatsanwaltschaft 1 Jahr Haft und 20.000 DA Geldstrafe für eine zusammengeschusterte Anklage. Immer wieder wurden ihm neue haltlose Delikte vorgeworfen, doch das Recht hat am Ende gesiegt! 12 Anwälte stritten um das Wohl ihres Mandanten, einer davon war Rechtsanwalt Salah Dabouz – unter anderem Präsident der Menschenrechtsorganisation LADDH Sektion Algier. Freudig erhielt ich seine SMS am heutigen Vormittag. Auch die deutsche Niederlassung von  Human Rights Watch und eine  Rechtsanwältin und Menschenrechtsverteidigerin aus Nordrhein-Westfalen,  hatten sich mittlerweile mit dem Fall Kherba befasst –  und sicherlich etwas nachgeholfen, ein tunesischer Journalist gab alle Infos an einen Landsmann und  Rechtsanwalt aus Buenos Aires – Generalsekretär Observatory of confinement IHRO, Fazit:  Der Fall Kherba bewegt die Welt!

Rückblick: Herr Kherba wurde inhaftiert, weil er gegen den anhaltenden Trinkwassermangel in Ksar El Boukhari demonstrierte. Besonders im Monat Ramadan waren diese Zustände unerträglich. Während in einigen Stadtteilen mehrere Wochen gar kein Wasser floss, waren die Wasserressourcen in reicheren Gegenden gesichert. Später gesellte sich noch die Anklage von einem Beamten hinzu – den Herr Kherba beleidigt haben soll, dessen Zeugen sich jedoch ständig in Widersprüche verstrickten. Fakt war, dass Herr Kherba sich zu dem angegebenen Zeitpunkt, gar nicht in Ksar El Boukhari aufhielt und stattdessen bei einem Treffen der Gewerkschaft SNAPAP in Algier weilte.

von Birgit Manzke

Oktober 2011: Verhaftung von Menschenrechtsaktivist Yacine Zaid (LADDH, SNAPAP), als er auf dem Weg zu einer Menschenrechtskonferenz in die Schweiz war.

Oktober 2011: Menschenrechtler Noureddine Belmouhoub wurde am 23. Oktober 2011 Opfer einer Entführung, er wurde für 4 Tage an einem unbekannten Ort festgehalten und vom algerischen Geheimdienst verhört. Grund: Herr Belmouhoub hatte Klage gegen Kriegsverbrecher General Khaled Nezzar vor dem europäischen Gerichtshof erhoben.

April 2012:

Verhaftung: Fares Kader Affak (Verband für die Verteidigung der Rechte von Kindern),

Abdelkader Kherba (Mitglied des Nationalen Komitees für die Verteidigung der Rechte der Arbeitslosen (CNDDC), Gewerkschaft SNAPAP und der algerischen Liga zur Verteidigung der Menschenrechte (LADDH),

Yacine Zaid  (LADDH, SNAPAP), sowie Verhaftung 5 weiterer Menschenrechtsaktivisten.

Mai 2012: Kidnapping von Menschenrechtsaktivist Tarek Mameri durch Zivilpolizisten. Später im Gefängnis, wieder freigelassen und anschließend verurteilt.

Juni 2012:  Anklage der Staatsanwaltschaft gegen Menschenrechtsaktivisten Yacine Zaid (Syndicaliste autonome), Abdou Bendjoudi (MJIC), Othmane Aouameur  (RDLD) und Lakhdar Bouzini  (SNAPAP)

Juli 2012: „El Watan“ Reporter Zoheir Ait Mouhoub von vier Zivilpolizisten des Ministerium des Innern bedroht und durchsucht. Ait Mouhoub hatte mehrfach Fälle von Korruption aufgedeckt und darüber berichtet. Er war bereits drei Mal Opfer von Beschattung und Einschüchterung in den vergangenen 2 Jahren!

August 2012: Erneute Verhaftung und Inhaftierung von Abdelkader Kherba, er befindet sich derzeit im Hungerstreik (Mitglied des Nationalen Komitees für die Verteidigung der Rechte der Arbeitslosen (CNDDC), Gewerkschaft SNAPAP und der algerischen Liga zur Verteidigung der Menschenrechte (LADDH)

September 2012: Urteilsverkündung für Yacine Zaid, Abdou Benjoudi, Othmane Aouameur und Lakthar Bouzini (allesamt Führungskräfte ihrer Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen)

Dies sind nur die Fälle, die mir bekannt sind und sicherlich lässt sich diese Liste noch unendlich aufstocken! Nicht alleinig die Tatsache, dass es immer wieder zu derartigen Vorfällen kommt ist bedrückend, ebenso schlimm sind die Fakten, dass bei Prozessen den Staatsanwälten und Richtern zwar die Namen der verteidigenden Anwälte bekannt sind, es andersherum jedoch düster aussieht – man will sich nicht hinter die Fassade blicken lassen, denn in der Anonymität lässt sich in Unrecht besser richten! Anbei ein Video, was Yacine Zaid und Abdou Bendjoudi auf dem Weg zu ihrer Gerichtsverhandlung im Juni zeig – Vertagung ohne Angabe von Gründen auf den 27.09.2012. Leute vom Geheimdienst DRS filmen unverblümt und die Polizei akzeptiert! Warum wohl? Übrigens ist das Filmen von Beamten, Polizei oder anderen Staatsdienern strengstens untersagt, während Menschenrechtler Freiwild sind. Sie sollen provoziert werden. Ein Versuch ist es wert, es könnte ja funktionieren, denn umso leichter ist es – wenn sie sich provozieren lassen – sie später wegen Beleidigung anzuklagen.

Von Birgit Manzke

Seit Wochen hält der Fall Abdelkader Kherba Algerien in Atem, kaum ein Tag vergeht, an dem nicht in den algerischen Medien über ihn berichtet wird. Die Staatsanwaltschaft von Ksar Boukhari forderte am gestrigen Tage 1 Jahr Haft und 20.000 DA Geldstrafe für Herrn Kherba. Der Prozess gegen ihn begann in den frühen Morgenstunden und zog sich bis mittags 13.50 Uhr hin. Die endgültige Urteilsverkündung  wird am 11.09.2012 erwartet. Herr Kherba hatte am 21.08. gegen die andauernde Wasserknappheit in Ksar Boukhari demonstriert und die Demonstration auch gefilmt – das Filmen an sich ist bereits eine Straftat. Dies war der Grund, warum er am 22.08. verhaftet wurde. Die Dinge spitzen sich zu, immer neue Anklagepunkte werden aus der Mottenkiste gezaubert. Gegen Herrn Kherba wurde nun auch noch Anklage wegen Beleidigung eines Mitarbeiters der Präfektur Ksar Boukhari erhoben. Herr Kherba soll den Kläger als:„Behinderten und Hund des Chefs der Präfektur“, beschimpft haben. Was kommt als Nächstes? Hat er Präsident Bouteflika wohl eventuell ein Ei an den Kopf geworfen und keiner weiß es? Nun, in diesem Fall wird die Welt es in Kürze erfahren, denn es scheinen ja immer neue Dinge aufzutauchen. Nachweislich hatte sich Herr Kherba  zu dem Zeitpunkt – den der Kläger angibt – nämlich am 3.06., nicht in Ksar Boukhari aufgehalten, sondern war bei einem Treffen der Gewerkschaft SNAPAP in Algier – vier Zeugen konnten dies bestätigen. Der Kläger wies lediglich zwei Zeugen vor, die sich ständig in Widersprüche verhaspelten – so einer der Anwälte von Herrn Kherba. Die Dinge sind mittlerweile so verworren, dass man eigentlich nur noch daraus schließen kann, dass hier dringend Gründe gesucht werden, um Herrn Kherba hinter Gittern zu halten. Rückwirkend ist anzumerken, dass besonders im Monat Ramadan die Bevölkerung unter dem andauernden Wassermangel litt  und kein Ende in Sicht war„. Einige Stadtteile hatten fast 3 Monate kein Wasser“, teilte der Bruder von Herrn Kherba der algerischen Zeitschrift El Watan mit, „für meinen Bruder war das ein nicht hinzunehmender Zustand.“ Herr Kherba ist in mehreren Menschenrechtsorganisationen engagiertes Mitglied, unter anderem in Ligue Algérienne pour la Défense des Droits de l’Homme (LADDH) und Comité National pour la Défense des Droits des Dhômeurs (CNDDC) sowie der Gewerkschaft SNAPAP. Bereits im April wurde Herr Kherba verhaftet und für mehrere Wochen inhaftiert und schon damals war sein Vergehen, andere Menschen zu unterstützen, Arbeiter, die in ihrem Betrieb eine Gewerkschaft forderten. Am 3. Mai verurteilte man ihn, zu einer Geldstrafe von 20.000 DA und einem Jahr Gefängnisstrafe – ausgesetzt auf Bewährung. Es ist derzeit schwer abzuschätzen, in welche Richtung der Fall Kherba sich entwickeln wird, denn in diesem Prozess geht es um Willkür mit dem Ziel, Führungsköpfe einiger Menschenrechtsorganisationen zu Fall zu bringen. Gemeint sind hierbei Yacine Zaid (LADDH, SNAPAP), Abdou Bendjoudi (MJIC), Othmane Aouameur  (RDLD) und Lakhdar Bouzini (SNAPAP), deren Verhandlung am 27.09.2012 in Algier folgen wird. Diese vier Männer hatten im April in ihren Organisationen zur Demonstration aufgerufen und selbst teilgenommen, um die Freilassung von Abdelkader Kherba zu fordern. Schon während ihres Protestmarsches, in Richtung Gerichtsgebäude (Algier), wurden alle vier Menschenrechtler verhaftet. Auch am gestrigen Tag gab es friedliche Demonstrationen, vor dem Gerichtsgebäude von Ksar Boukhari. Demonstranten forderten die sofortige Freilassung von Abdelkader Kherba. Herr Kherba befindet sich seit nunmehr 15 Tagen im Hungerstreik, „sein Willen ist ungebrochen“, teilte sein Anwalt Salah Dabouz mit, „jedoch sein physischer Zustand ist alarmierend“. Herr Dabouz hegt regelmäßigen Kontakt zur Familie von Herrn Kherba und auch zu Herrn Kherba selbst. Auf der sozialen Plattform Facebook, machen sich derzeit große Wellen des Protestes breit. Kaum ein Algerier, der nicht Flagge zeigt und das Foto von Herrn Kherba in sein Profil postet. „Freiheit“ fordern sie. Rund um den Globus nimmt man am Schicksal von Herrn Kherba teil, sei es der algerische Fernsehjournalist aus Dubai oder algerische Journalisten von France 24, selbst tunesische Journalisten bekunden Anteilnahme und wollen helfen. 12 Anwälte stritten gestern, im Gerichtsgebäude von Ksar Boukhari, um die Rechte ihres Mandanten, es bleibt nur zu hoffen, dass im Laufe der Monate, nicht einige von ihnen wieder einmal unter Vorwand und falschen Anschuldigungen  verhaftet werden – wie bereits geschehen im Jahre 2008 bei dem bekannten Menschenrechtsverteidiger Rechtsanwalt Amine Sidhoum.

Von Birgit Manzke

Während in den umliegenden Ländern Tunesien, Libyen und Ägypten das Volk auf die Straße ging, um sich von ihren Despoten zu befreien, scheint der arabische Frühling an dem größten Land Afrikas vorbeizuziehen. Viele werden sich daher die Frage stellen: Woran liegt das? Die Frage ist eigentlich ganz einfach zu beantworten, schaut man sich hierzu erst einmal den geschichtlichen Hintergrund Algeriens an.

Ein paar wichtige Fakten und Daten:

1830 –  1962 Kolonialbesatzung durch Frankreich

1954 – 1962 Befreiungskrieg unter der Führung der Front de Libération National (FLN)

1991 – 1997 Bürgerkrieg

Erst im Jahre 2011 wurde der 1992 verhängte Ausnahmezustand durch Präsident Abdelaziz Bouteflika aufgehoben!

Zunächst weichen im Laufe der vergangenen 50 Jahre die namentlichen Zuordnungen der Staatsoberhäupter Algeriens in der Begriffsbezeichnung von einander ab, woraus sich auch schließen lässt, welches Chaos schon über Jahrzehnte in Algerien herrscht. Hier die Aufzählung der wichtigsten Staatsoberhäupter.

Mohammed Ahmed Ben Bella – Erster Staatspräsident: September 1963 – Juni 1964

Houari Boumedienne – Präsident des Revolutionsrates: Juni 1965 – Dezember 1978

Chadli Bendjedid       – Staatspräsident:  Februar 1979 – Januar 1992

Mohamed Boudiaf     – Vorsitzender des Hohen Staatsrates: Januar 1992 – Juni 1992

Abdelaziz Bouteflika – Staatspräsident: April 1999 –          (amtierend)

Seit 1996 ist aufgrund der Verfassung die offizielle Begriffsbezeichnung für Algerien Präsidialrepublik.

Der vom ganzen Volk geliebte Präsident Mohamed Boudiaf wurde bei einer Konferenz vor laufenden Kameras am 29. Juni 1992 hinterhältig ermordet. Der Öffentlichkeit unterbreitete die Regierung die Story eines islamistischen Einzeltäters, der Boudiaf ermordet haben soll, Fakten weisen jedoch daraufhin, dass es sich hierbei keineswegs um einen Einzeltäter mit fundamentalistisch-islamitisch geprägten Hintergrund  handelte, sondern um ein brutal geplantes Verbrechen. Nur kurze Zeit vor seiner Ermordung  kündigte Präsident Boudiaf an, dass er Köpfe führender korrupter Generälen rollen lassen wolle, sodass sich daraus schließen lässt, die Ursachen für diesen brutalen Mord in ganz anderen Quellen zu suchen.

 

Nun zu der Frage: Warum der arabische Frühling Algerien nicht erreicht. Gab es zum Beginn der Jasmine Revolution in Tunesien auch in einigen Teilen Algeriens Versuche eine Revolution zu entfachen, so wurden diese Bemühungen vom Ausland quasi kaum wahrgenommen. Das algerische Volk ist müde, ja, man könnte fast sagen, sie haben sich  ihrem Schicksal ergeben und in Lethargie zurückgezogen. Zunächst wartete man ab, wie sich die Ergebnisse der Revolutionen in den Nachbarländern entwickeln würden. Zufriedenstellend sind diese Ergebnisse jedoch nicht. Algeriens Bevölkerung erlebt seit Jahrzehnten einen inneren Kampf der Selbstfindung, ihre eigene Identität haben sie bisher nicht gefunden. Wurde durch Frankreich die französische Sprache als Amtssprache eingeführt, hat es Generationen gedauert, bis die arabische Sprache wieder Amtssprache wurde. In der Kabylei hingegen kämpft man immer noch um die Anerkennung der eigenen Sprache (Berber). Das Land ist selbst in den eigenen Strukturen zerrissen. Während sich 70% der Bevölkerung als Araber bezeichnen, so ordnen sich die restlichen 30%  Berberstämmen zu. Die Urbevölkerung Algeriens sind und waren – vor der Übernahme durch die Araber im 7. Jahrhundert, Berber! Algerien hatte im Jahr 1990 eine Staatsverschuldung von 0 Prozent und laut Wikipedia auch im Jahre 2012 nur eine geringe Staatsverschuldung zu verzeichnen. Eigentlich ist dies eine gute Grundlage, für künftige Entwicklungen und internationalen Handel. Milliarden Dollar fließen jährlich durch das Erdöl- und Erdgasgeschäft in Algeriens Kassen, nur wo bleibt das Geld? Wirtschaftliches Wachstum ist kaum zu verzeichnen, die Bevölkerung ist arm, hohe Arbeitslosigkeit und Wohnraummangel prägt das Land – überall herrscht Korruption und Vetternwirtschaft. Algeriens namentliche Entwicklung durchläuft seit Beginn des Befeiungskrieges gegen die Franzosen über die eigene Landesbezeichnung von „Sozialistische Volksrepublik Algerien“ bis „Demokratische Volksrepublik Algerien“. Ein blutiger Regierungsputsch, ausgelöst durch Oberst Houari Boumedienne, führte Algerien im Jahre 1965 auf den Pfad der sozialistisch/kommunistischen Staaten. In Algerien sollte fortan der „Islamische Sozialismus“ herrschen. Lässt sich Islam und Sozialismus/Kommunismus tatsächlich miteinander vereinbaren? Wieder und wieder änderte Algerien drastisch die Richtung bis zum Bürgerkrieg 1991. Bei den Parlamentswahlen 1991 zeichnete sich der Wahlsieg der Islamischen Heilsfront (FIS) ab, das Militärregime brach die Wahlen ab. Zahlreiche Todesopfer, Verhaftungen und vermisste Personen waren zu verzeichnen: Geschätzte Zahlen: 120.000 Todesopfer, 50.000 politische Gefangene und mehr als 5000 vermisste Personen. Geheime Folterlager wurden eingerichtet und islamische Führer verschwanden in Kerkern. Erst mit der Machtübernahme durch Präsident Abdelaziz Bouteflika wurde Annäherung an die Islamisten gesucht, die Gesamtsituation in Algerien hat sich dadurch jedoch nicht verändert. Bei den Parlamentswahlen im Mai 2012 wurden zwar ausländische Wahlbeobachter zugelassen, jedoch glaubt kaum keiner in Algerien an einen fairen Wahlsieg der regierungsnahen Parteien FLN und RND.  Die aus drei gemäßigt islamistischen Parteien bestehende Allianz „Grünes Algerien“ wurde nur drittstärkste Kraft und sprach von Wahlbetrug. Nicht nur die Allianz „Gründes Algerien“ kommt zu dieser Einschätzung, sondern auch der ehemalige algerische Finanzminister Ali Benouari. Ali Benouari gab dem schweizer Fersehsender RTS ein ernüchterndes Interview. Benouri antwortete auf die Frage ob die Wahlen transparent waren: ” Ganz deutlich nein, die Wahlen waren nicht transparent.” (12.05.2012 RTS.ch 19.30 Uhr le journal). Algerien und das Ausland blicken nun gespannt auf die Präsidentschaftswahl 2014. Wird es einen Machtwechsel geben? Wenn ja, wie wird er aussehen? Menschenrechtler und Gewerkschaften kämpfen derzeit – alleingelassen auf weiter Flur – gegen Militär, Polizei und Geheimdienst, sie haben kaum Unterstützung aus der Bevölkerung – der Schock der letzten Jahren ist noch tief in den Köpfen der Menschen verankert. So sehr man sich auch einen Umbruch wünscht, so sehr lähmen die Ereignisse der letzten Jahre. Man beobachtet sehr wohl, welche Ausmaße Widerstand hat. Gewerkschafter und Menschenrechtler werden als Terroristen denunziert und immer wieder unter scheinheiligem Vorwand verhaftet und weggesperrt. Widerstand bewegt sich derzeit noch auf sehr dünnem Eis. Sollte man das Treiben von Regierung, Militär und Geheimdienst seitens des Auslands weiterhin tatenlos dulden, wird es irgendwann in Algerien zu einem ganz großen Knall kommen, davon gehen auch Experten aus.

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